Franz Schmidt
1874 - 1939
Der Meister der "Sieben Siegel"
Der aus Preßburg gebürtige Franz Schmidt war der letzte große Symphoniker romantischer Prägung und hat vier Symphonien vorgelegt, von denen
Die große dimensionierten Symphonien Nr. 2 und Nr. 4 zählen zu den bedeutendsten Exempeln formaler Meisterschaft:
Eine der raren → exzellenten Aufführungen des G-Dur-Quartetts gelang dem philharmonischen Küchl-Quartett im Musikverein.
Das Schwesterstück, in A-Dur, zählt zu den gelungenen Beispielen klassizistischen Denkens und präsentiert etwa nach der Art von Prokofieffs Symphonie classique noch einmal ein Streichquartett im Geiste Mozarts oder Schuberts, voll lyrischer Empfindung, in perfekter Formgebung.
Für Wittgenstein entstand neben zwei konertanten Stücken für Klavier und Orchester unter anderem ein Quintett für Klavier und Streicher, das eine der hartnäckigsten hinreißendsten Ohrwurm-Melodien der Spätest-Romantik enthält.
Außerdem zwei Quintette für Klavier, Klarinette und Streichtrio - das letzte, ein feinsinnig koloristisches A-Dur-Quintett, in jener Phase, in der Wittgenstein schon vor dem nationalsozialistischen Terror geflüchtet war, den Kontakt zu Schmidt jedoch aufrecht hielt.Schmidt selbst scheint sich von dem Vorhaben zuletzt distanziert zu haben. Musikwissenschaftliche Forschungen haben ergeben, ...
... dass die Komposition der Kantate im wesentlichen abgeschlossen war, als der Komponist einen Brief an den Leiter der "Gesellschaft der Musikfreunde" sandte, er behalte sich vor "den Bau abzubrechen" und halte das Unterfangen "für eine Vermessenheit".
Nach Schmidts Tod vollendete einer seiner Studenten die Instrumentierung der "Deutschen Auferstehung", die im Musikverein uraufgeführt wurde. Selbst der Kommentator des "Völikischen Beobachters" gab sich skeptisch über die Qualität des billig-propagandistischen Textes . . .
Dem Nachruhm Franz Schmidts stand der fragmentarisch hinterlassene Auftragskomposition freilich im Wege. In der frühen Nachkriegszeit viel gespielt, fielen seine Werke trotz ihrer Klangschönheit und formalen Meisterschaft zum Trotz beinah dem Vergessen anheim.
In Zeiten des musikalischen Umbruchs ist es Schmidt, dem langjährigen Solocellisten der Wiener Philharmoniker, gelungen, noch einmal die einigenden Kräfte der klassischen Dur-Moll-Tonalität unter Beweis zu stellen. Freilich unter Ausnützung sämtlicher Möglichkeiten der spätromantischen Harmonik, die zuweilen an die Grenzen des in diesem Koordinatensystem noch Faßbaren geht.
Der Text, den Schmidt gewählt hat, fordert auch extreme Ausdrucksmittel: Ein Auszug aus dem letzten Buch der Bibel, der Apokalypse, erzählt von den sieben Siegeln, den sieben Posaunen, den Plagen des Jüngsten Gerichts, aber auch von der Vision eines himmlischen Jerusalem, in dem es die Nacht nicht mehr gibt.
Die Eruptionen des "Hallelujah"-Chors, kurz vor Schluss des Oratoriums, haben Generationen von Musikfreunden Wonneschauer über den Rücken gejagt.
Neben einigen Chören Händels und Haydns gehört diese Passage aus dem Buch mit sieben Siegeln zu den erhebendsten Momenten der europäischen Chorliteratur.
Die Anfechtungen der Apokalypse, von denen zuvor gesungen wird, rechnen Chorsänger zu den schwierigsten Aufgaben, die ihnen je gestellt wurden.
Die sogenannte "Wasserfuge" mit ihren atemberaubenden chromatischen Verschiebungen gehört zur Kür kollektiver Gesangskunst. Ein Chor, der diese Hürde bewältigt, muss sich auch vor heiklen, moderneren Partituren nicht fürchten.
Auch die Orgel hat ihren großen Auftritt. Und die Solisten, die sich im Prolog zu einem erhebenden "himmlischen Gottesdienst" einfinden, erzählen nach dem Öffnen der Siegel von der Menschheit am Ende der Zeiten.
Da kommen auch grell dissonierende, expressionistische Klänge ins Spiel, die immer wieder von volksliedartig schlichten, lichten Momenten abgelöst werden, in denen die Musik die visionären Bildhalluzinationen des Johannes auf Patmos in Klang verwandelt.
Schmidts handwerkliches Können befähigte ihn, die Errungenschaften der Moderne mit den harmonischen Gesetzen der Tonalität in Einklang zu bringen. Als Rektor der Wiener Musikakademie war er vertraut mit den fortschrittlichsten Techniken seiner Zeit, hat auch dafür gesorgt, daß Schönbergs Harmonielehre im Unterricht besprochen wurde.
* die Erste (E-Dur) ein früher Beweis formalen Könnens und melodischer Erfindungsgabe darstellt,
* die Dritte (A-Dur, 1928) eine originelle Hommage an Franz Schubert mit einem der berührendsten Adagio-Sätze der Spätromantik.
Die große dimensionierten Symphonien Nr. 2 und Nr. 4 zählen zu den bedeutendsten Exempeln formaler Meisterschaft:
* Klanglich spätromantisch schwelgerisch, fasst die Es-Dur-Symphonie (Nr. 2) noch einmal auf engstem Raum und durch thematische Einheit über die Sätze gebunden die wichtisten abendländischen Kompositionsprinzipien zusammen: Sonate, Variation, Fuge.
* Die Vierte ist ein Werk des Abschieds, komponiert im Gedenken an Schmidts frühverstorbene Tochter - und nach dem Vorbild von Franz Liszts bahnbrechender Klaviersonate in einem großen (Sonaten-)Satz gearbeitet, in den die klassischen Symphoniesätze eingelassen sind. Das Adagio mit seinem erschütternden Klagegesang ist das Intermezzo zwischen Exposition, Scherzo (Durchführung) und Reprise (Finale).
Ein Romantiker auf der Höhe seiner Zeit
Schmidts handwerkliches Können befähigte ihn, die Errungenschaften der Moderne mit den harmonischen Gesetzen der Tonalität in Einklang zu bringen. Er war vertraut mit den fortschrittlichsten Techniken seiner Zeit.Rektor der Wiener Akademie
Als Rektor der Wiener Musikakademie hat er mit den besten Studenten etwa Arnold Schönbergs avantgardistische Melodramen Pierrot Lunaire einstudiert und aufgeführt.Eine Antwort auf Schönberg
Manches seiner Werke scheint sogar direkt auf die Moderne zu antworten: So reflektiert das zweite der Streichquartette (ausgerechnet in der Volksliedertonart G-Dur!) die Auflösungstendenzen der Harmonik und fängt sie, was Schönberg mit der Organisation der zwölf Töne versucht hat, mit einer aufs Äußerste angespannten Dur-Moll-Tonalität noch einmal auf.Eine der raren → exzellenten Aufführungen des G-Dur-Quartetts gelang dem philharmonischen Küchl-Quartett im Musikverein.
Das Schwesterstück, in A-Dur, zählt zu den gelungenen Beispielen klassizistischen Denkens und präsentiert etwa nach der Art von Prokofieffs Symphonie classique noch einmal ein Streichquartett im Geiste Mozarts oder Schuberts, voll lyrischer Empfindung, in perfekter Formgebung.
Musik für Paul Wittgenstein
Fast alle Werke mit Klavier entstanden für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein, der ja auch bei Richard Strauss, Maurice Ravel und Benjamin Britten Werke in Auftrag gegeben hat. Bei keinem Komponisten hat Wittgenstein so viele Stücke bestellt wie bei Schmidt, dessen Musik ihm offenbar am meisten zusagte.Für Wittgenstein entstand neben zwei konertanten Stücken für Klavier und Orchester unter anderem ein Quintett für Klavier und Streicher, das eine der hartnäckigsten hinreißendsten Ohrwurm-Melodien der Spätest-Romantik enthält.
Außerdem zwei Quintette für Klavier, Klarinette und Streichtrio - das letzte, ein feinsinnig koloristisches A-Dur-Quintett, in jener Phase, in der Wittgenstein schon vor dem nationalsozialistischen Terror geflüchtet war, den Kontakt zu Schmidt jedoch aufrecht hielt.
Deutsche Auferstehung
Der Komponist war gegen Ende seines Lebens (er erlag seiner schweren Erkrankung 1939) mit der Komposition einer Kantate Deutsche Auferstehung beschäftigt, die der propagandistischen Aufarbeitung der jüngsten deutsche Geschichte gewidmet war und ein Auftragswerk der nach dem sogenannten Anschluss gleichgeschalteten "Gesellschaft der Musikfreunde" darstellte.Schmidt selbst scheint sich von dem Vorhaben zuletzt distanziert zu haben. Musikwissenschaftliche Forschungen haben ergeben, ...
... dass die Komposition der Kantate im wesentlichen abgeschlossen war, als der Komponist einen Brief an den Leiter der "Gesellschaft der Musikfreunde" sandte, er behalte sich vor "den Bau abzubrechen" und halte das Unterfangen "für eine Vermessenheit".Nach Schmidts Tod vollendete einer seiner Studenten die Instrumentierung der "Deutschen Auferstehung", die im Musikverein uraufgeführt wurde. Selbst der Kommentator des "Völikischen Beobachters" gab sich skeptisch über die Qualität des billig-propagandistischen Textes . . .
Dem Nachruhm Franz Schmidts stand der fragmentarisch hinterlassene Auftragskomposition freilich im Wege. In der frühen Nachkriegszeit viel gespielt, fielen seine Werke trotz ihrer Klangschönheit und formalen Meisterschaft zum Trotz beinah dem Vergessen anheim.
Ein Komponist für Organisten
Den Ruhm Schmidts aufrecht halten bis heute freilich die Organisten, die in der Musik der Spätromantik sonst wenig Material finden, das so dankbar und prächtig im Klang ist wie die einschlägigen Kompositionen dieses Meisters.
Im übrigen blieb (vor allem Wiener) Musizierpraxis nebst dem wunschkonzertverdächtigen Zwischenspiel aus der Oper Notre Dame nur ein Werk, das wirklich regelmäig erklingt: Das groß angelegte Oratorium nach Texten der Apokalypse, Das Buch mit sieben Siegeln. Es gehört zu den großen Oratorien in einer Linie mit den beiden Haydn-Oratorien, mit Brahms "deutschem Requiem" oder Schönbergs "Gurreliedern".
---- DAS BUCH MIT SIEBEN SIEGELN ----
Seit der Uraufführung 1938 zählt Franz Schmidts "Buch mit sieben Siegeln" zu den Zentralwerken im Repertoir des Singvereins der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Vom ersten Abend an war man in Wien überzeugt, es hier mit einem der bedeutendsten Chorwerke (nicht nur) des XX. Jahrhunderts zu tun zu haben. Jede Aufführung seither hat diesen Eindruck bekräftigt.In Zeiten des musikalischen Umbruchs ist es Schmidt, dem langjährigen Solocellisten der Wiener Philharmoniker, gelungen, noch einmal die einigenden Kräfte der klassischen Dur-Moll-Tonalität unter Beweis zu stellen. Freilich unter Ausnützung sämtlicher Möglichkeiten der spätromantischen Harmonik, die zuweilen an die Grenzen des in diesem Koordinatensystem noch Faßbaren geht.
Der Text, den Schmidt gewählt hat, fordert auch extreme Ausdrucksmittel: Ein Auszug aus dem letzten Buch der Bibel, der Apokalypse, erzählt von den sieben Siegeln, den sieben Posaunen, den Plagen des Jüngsten Gerichts, aber auch von der Vision eines himmlischen Jerusalem, in dem es die Nacht nicht mehr gibt.
Die Eruptionen des "Hallelujah"-Chors, kurz vor Schluss des Oratoriums, haben Generationen von Musikfreunden Wonneschauer über den Rücken gejagt.
Neben einigen Chören Händels und Haydns gehört diese Passage aus dem Buch mit sieben Siegeln zu den erhebendsten Momenten der europäischen Chorliteratur.
Die Anfechtungen der Apokalypse, von denen zuvor gesungen wird, rechnen Chorsänger zu den schwierigsten Aufgaben, die ihnen je gestellt wurden.
Die sogenannte "Wasserfuge" mit ihren atemberaubenden chromatischen Verschiebungen gehört zur Kür kollektiver Gesangskunst. Ein Chor, der diese Hürde bewältigt, muss sich auch vor heiklen, moderneren Partituren nicht fürchten.
Auch die Orgel hat ihren großen Auftritt. Und die Solisten, die sich im Prolog zu einem erhebenden "himmlischen Gottesdienst" einfinden, erzählen nach dem Öffnen der Siegel von der Menschheit am Ende der Zeiten.
Da kommen auch grell dissonierende, expressionistische Klänge ins Spiel, die immer wieder von volksliedartig schlichten, lichten Momenten abgelöst werden, in denen die Musik die visionären Bildhalluzinationen des Johannes auf Patmos in Klang verwandelt.
Schmidts handwerkliches Können befähigte ihn, die Errungenschaften der Moderne mit den harmonischen Gesetzen der Tonalität in Einklang zu bringen. Als Rektor der Wiener Musikakademie war er vertraut mit den fortschrittlichsten Techniken seiner Zeit, hat auch dafür gesorgt, daß Schönbergs Harmonielehre im Unterricht besprochen wurde.